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26-05-2016
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Behindertenrecht: Rechte schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben

Wann habe ich als schwerbehinderter Mensch oder bei einem GdB von 30 und Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit einen Anspruch auf Teilzeitarbeit?

Wann besteht der Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf Teilzeitarbeit?

Schwerbehinderte Menschen (Feststellung eines GdB von mindestens 50 durch das Versorgungsamt oder GdB von mindestens 30 und Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit) haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist.

Wie weise ich die Erforderlichkeit der Teilzeitarbeit aus gesundheitlichen Gründen nach?

Die Erforderlichkeit der Verringerung der Arbeitszeit kann durch ärztliches Attest nachgewiesen werden.

Muss der Arbeitgeber meinem Wunsch nach Teilzeitarbeit zustimmen?

Für schwerbehinderte Arbeitnehmer stellt das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) geringere Voraussetzungen an den Teilzeitbeschäftigungsanspruch als das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) an den allgemeinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit. Das Verlangen des schwerbehinderten Menschen nach dem SGB IX auf Verringerung der Arbeitszeit wirkt unmittelbar und ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht von einer Zustimmung des Arbeitgebers zur Änderung der vertraglichen Pflichten abhängig. Das heißt, dass der Arbeitgeber dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Arbeitszeitverringerung nicht zustimmen muss.

Wie lange vor der gewünschten Teilzeitarbeit muss ich die Reduzierung beim Arbeitgeber verlangen?

Der schwerbehinderte Mensch kann die Verringerung jederzeit verlangen, und zwar mit sofortiger Wirkung. Die für den allgemeinen Teilzeitanspruch im TzBfG vorgesehene Frist von 3 Monaten vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit sieht das SGB IX nicht vor.

Kann ich auch eine nur zeitlich befristete Teilzeitarbeit verlangen?

Nach der Rechtsprechung des BAG kann der schwerbehinderte Mensch auch eine nur zeitlich befristete Herabsetzung der Arbeitszeit beanspruchen.

Welche Form und Frist muss ich beachten?

Das Verlangen des schwerbehinderten Menschen auf Arbeitszeitverringerung ist nicht an Formen oder Fristen gebunden. Aus Beweisgründen ist allerdings dazu zu raten, das Verlangen auf Arbeitszeitverringerung schriftlich geltend zu machen. Beruft sich der schwerbehinderte Mensch dabei nicht auf die Anspruchsgrundlage im SGB IX, so ist dies unschädlich. Nach der Rechtsprechung des BAG ist es nur erforderlich, dass der Schwerbehinderte den Umfang der behinderungsbedingten Kürzung der Arbeitszeit unmissverständlich angibt, damit der Arbeitgeber prüfen kann, ob die Teilzeitbeschäftigung behinderungsbedingt verlangt wird oder von nicht behinderungsbedingten Umständen abhängig gemacht wird.

Muss ich bereits mindestens 6 Monate im Betrieb arbeiten?

Zugunsten des schwerbehinderten Arbeitnehmers hängt der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit aus dem SGB IX nicht davon ab, dass er bereits 6 Monate im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt ist.

Wie groß muss der Betrieb sein, in dem ich arbeite?

Der Anspruch auf Teilzeitarbeit hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.

Was passiert, wenn der Arbeitgeber die Notwendigkeit der Teilzeitarbeit bestreitet?

Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine Teilzeitbeschäftigung wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig ist, so hat der schwerbehinderte Mensch die Kausalität zwischen Behinderung und der verlangten Arbeitszeitverkürzung nachzuweisen. Hat andererseits der Schwerbehinderte diesen erforderlichen Nachweis erbracht, so ist es Sache des Arbeitgebers, gegebenenfalls die Gründe vorzutragen und zu beweisen, die für ihn aus seiner Sicht eine Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen mit verringerter Arbeitszeit unzumutbar machen.

Wann kann der Arbeitgeber eine Unzumutbarkeit der gewünschten Teilzeitarbeit einwenden?

Der Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf Reduzierung der Arbeitszeit besteht nicht, wenn die Reduzierung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber nicht zumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen.
Der Begriff der Zumutbarkeit erfordert eine Abwägung der gesetzlich geschützten Interessen des schwerbehinderten Menschen auf der einen Seite und der entgegenstehenden Belange auf der anderen Seite. Hier ist also der jeweilige Einzelfall zu prüfen.

Auch unverhältnismäßig hohe Kosten für den Arbeitgeber sollen dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen entgegenstehen, wobei allerdings nach meiner Auffassung das seit dem 26.03.2009 in Deutschland in Kraft getretene Menschenrechtsübereinkommen über die Rechte behinderter Menschen, welches in Deutschland den Stellenwert eines Bundesgesetzes hat, dazu führt, dass jede Argumentation nur mit Vorsicht zu genießen ist, die einem Rechtsanspruch des schwerbehinderten Menschen das Kostenargument entgegenhält.

Habe ich einen Anspruch auf Teilzeit aus dem SGB IX und zusätzlich aus dem TzBfG?

Der Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf Verringerung der Arbeitszeit aus dem SGB IX und der Anspruch aus dem TZBFG stehen nebeneinander. Im Zweifelsfall muss deshalb der vom schwerbehinderten Arbeitnehmer geltend gemachte Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit unter beiden Gesichtspunkten auf seine Berechtigung überprüft werden.

Muss ich meinen Anspruch ggfs. vor dem Arbeitsgericht durchsetzen?

Obwohl der schwerbehindertenrechtliche Teilzeitanspruch nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängt, soll nach der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Frankfurt der Teilzeitanspruch durch Klage vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen sein, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeitreduzierung ablehnt.

Ich stehe Ihnen als Arbeitnehmer oder betriebliche Schwerbehindertenvertretung gern für eine konkrete Beratung und Ihre Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber zur Verfügung.

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Berlin, 09.02.2016

 

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