Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats bei Versetzungen
1. Nach § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
Dementsprechend muss der Arbeitgeber die SBV vor der Versetzung schwerbehinderter (und ihnen gleichgestellten) Kolleginnen und Kollegen nach § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX vollständig unterrichten und der SBV nach vollständiger Unterrichtung eine Woche Zeit für eine Stellungnahme geben.
Die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der SBV bei personellen Maßnahmen stellt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar (§ 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX). Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 10.000,- € geahndet werden (§ 238 Abs. 2 SGB IX).
2. Nach der gesetzlichen Definition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist eine Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs kann sich aus der Änderung des Arbeitsinhalts und einer damit verbundenen geänderten Verantwortung, aus einem Wechsel des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit oder aus einer Änderung der Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben, BAG, Urteil vom 11.10.2022, 1 ABR 16/21, Rdz. 19.
3. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme, also auch zu einer Versetzung, verweigern, wenn ein Gesetz verletzt wurde (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Beteiligt der Arbeitgeber die SBV nicht ordnungsgemäß vor einer Versetzung, verletzt er das Gesetz (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist eine Versetzung nicht möglich, es sei denn der Arbeitgeber versucht, die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
4. Vor Vollzug einer personellen Maßnahme und damit auch vor der Anordnung der Versetzung durch den Arbeitgeber kann die bislang durch den Arbeitgeber rechtswidrig nicht beteiligte Schwerbehindertenvertretung die Aussetzung der bevorstehenden Durchführung bzw. Vollziehung der personellen Maßnahme beim Arbeitgeber beantragen (§ 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX). Dem Arbeitgeber ist die beabsichtigte personelle Maßnahme solange verwehrt, bis er die ordnungsgemäße Beteiligung der SBV i.S.v. § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX nachgeholt hat, LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.10.2011, 8 TaBV 9/11. Die Nichtbeteiligung der SBV ist ein gravierender Mangel, der auch im öffentlichen Dienst der Vollziehung einer den schwerbehinderten Menschen betreffenden Maßnahme entgegensteht, OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.09.2018, 14 MB 1/18.
5. Der Betriebsrat kann nach § 93 BetrVG verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, vor ihrer Besetzung betriebsintern ausgeschrieben werden. § 93 BetrVG enthält keine generelle Pflicht zur betriebsinternen Stellenausschreibung. Eine Verpflichtung hierzu besteht nur, wenn der Betriebsrat die Ausschreibung verlangt oder eine solche zwischen den Betriebsparteien vereinbart ist, BAG, Urteil vom 11.10.2022, 1 ABR 16/21, Rdz. 32.
§ 93 BetrVG ermöglicht es dem Betriebsrat, im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft durch die Bekanntmachung freier Stellen den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sollen Gelegenheit erhalten, sich auf die zu besetzenden Arbeitsplätze zu bewerben, BAG, Urteil vom 11.10.2022, 1 ABR 16/21, Rdz. 41. Nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme und damit auch zu einer Versetzung auch dann verweigern, wenn zuvor eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist.
6. Zur notwendigen Beteiligung der SBV bei Versetzungen und der internen und externen Stellenbesetzung sowie allen weiteren personellen Maßnahmen und zur Durchsetzung der Rechte der SBV vergleiche das Handbuch der Schwerbehindertenvertretung.
Im Handbuch der Schwerbehindertenvertretung findet die SBV alles, was sie für ihr Ehrenamt benötigt. Das Buch ist im April 2023 erschienen und im Buchhandel erhältlich.
Das Handbuch enthält auch das notwendige Wissen für mit dem Schwerbehindertenarbeitsrecht befasste Betriebs- und Personalräte.